Ich hatte mir so fest vorgenommen, es nicht zu tun.
Einen Artikel zu schreiben, bei dem ich keine Infos vermittele, sondern meine Meinung äußere.
“Wozu soll das gut sein? Was haben die Leser davon?” – habe ich mich gefragt.
Aber ich fange am besten am Anfang an.
Leistung vs. Erlebnis
Vor Kurzem habe ich bei Facebook dieses Foto gepostet und dazu geschrieben, dass ich unter ziemlicher Höhenangst bzw. Angst vorm Fallen leide.
Die Kommentare darauf haben mich verblüfft:
- “Gott sei Dank, dass das endlich mal jemand sagt”
- “Ich finde deine Ansicht super und denke genauso”
- “Die Leistungsgesellschaft wird leider auch in die Freizeit transferiert”
- “Endlich spricht es mal jemand aus”
Einerseits habe ich mich über dieses Feedback gefreut, andererseits war ich überrascht.
- Muss man sich fast schlecht fühlen, wenn man diesen Leistungstrend nicht mitmacht?
- Wird man dadurch zum Außenseiter?
Angstbewältigung erfordert Mut, aber auch Geduld
Wie oft habe ich schon gehört, dass man nur richtig klettert, wenn man auch vorsteigt.
Dieser Satz ist ziemlich einseitig und verursacht bei mir Bauchschmerzen.
Warum?
Weil er sich rein auf die Leistung bezieht und abwertend ist.
Abwertend denen gegenüber, die lieber nicht vorsteigen – aus einem für sie guten Grund.
Habt ihr euch schon mal vor Augen geführt, wie es sich anfühlt, mit riesiger Angst vorm Fallen zu klettern?
Dabei meine ich nicht die Angst, die jeder Kletterer kennt, wenn es knifflig oder brenzlig wird.
Nein, ich meine schweißnasse Hände und zitternde Beine, obwohl man sich gerade mal 10cm über dem Boden befindet.
Dem Kopf ist diese Tatsache völlig egal – der Körper befindet sich im Panikmodus!
So ein Quatsch, denkst du?
Absolut nicht!
Ganz genau so geht es mir an einigen Tagen, dafür läuft es anderen wesentlich besser.
Wie viel Anstrengung und mentales Training es mich kostet, mich dieser Angst zu stellen, können sich viele gar nicht vorstellen.
Mit Angst umgehen zu lernen, erfordert einerseits Mut, andererseit viel Geduld.
Nicht nur von mir, sondern auch von meinem Umfeld.
Wenn jemand auf die Idee kommt, mich unter Druck zu setzen, werde ich giftig: Meine persönlichen Ziele setze ich mir ganz alleine!
Warum tue ich mir das überhaupt an?
- Weil ich Herausforderungen liebe und mich nicht durch meine Ängste einschränken lassen möchte.
- Weil ich es in den Bergen wunderschön finde.
- Weil das Gefühl so unglaublich ist, sich an einer Kletterroute oder einem Bike-Trail zu versuchen und sich diese Momente einbrennen.
Etwas geschafft zu haben, ist toll!
Bei all dem Reden über das schöne Erlebnis möchte ich den Punkt Leistung gar nicht unter den Tisch fallen lassen.
Natürlich setze ich mir auch Ziele, um mich zu entwickeln. Und ich freue mich selbstverständlich auch über Erfolge.
Aber diese Prahlerei mit Schwierigkeitsgraden geht für mich an dem vorbei, was mir persönlich wichtig ist: Ein tolles Erlebnis zu haben!
Ob das bei Männern oder Frauen gleich stark ausgeprägt ist, möchte ich hier gar nicht vertiefen.
Ich glaube, dass es bei beiden Geschlechtern sehr leistungsorientierte Vertreter gibt, die sich in der Social Media Bestätigung der anderen sonnen und feiern lassen.
Im Grunde spricht auch nichts dagegen, denn wir alle haben ein Bedürfnis nach Anerkennung.
Dumm wird es nur dann, wenn die die Leistung der anderen schlechtreden, um uns selber aufzuwerten.
- Wieso kann ich ein 9er Kletterer nicht mit jemandem freuen, der eine 5er Route im Nachstieg geschafft hat – trotz Ängsten oder sonstigen persönlichen Voraussetzungen?
- Wieso muss er ihm oder ihr aufs Brot schmieren, dass sei doch kein richtiges Klettern? Um sich selber als Held zu fühlen?
Sehr schön finde ich die Einstellung vom ehemaligen Profikletterer Michael Füchsle, den ich in einem Interview dazu befragt habe.
Er sagt:
“Natürlich unterscheidet sich das Klettern im Vorstieg von dem im Nachstieg, da besteht kein Diskussionsbedarf. In erster Linie geht es aber darum, dass Klettern Spaß machen soll!”
Komme ich zurück auf meine Frage vom Anfang:
Was haben meine Leser von diesem Artikel?
Vielleicht fühlt es sich gut für euch an zu wissen: Ihr seid nicht alleine!
Es gibt genügend Freizeitsportler/innen da draußen, die sich rein aus Spaß an der Freude bewegen, ohne Leistungdsdruck.
Und da sind vor allem immer mehr mutige Mädels, die sich vom Sofa erheben und sich ins Outdoorleben stürzen – das finde ich klasse!
Euch allen möchte ich sagen:
Lasst euch nicht zu etwas drängen, das ihr nicht tun wollt!
Genießt die Zeit in der Natur, denn hier geht es ums Abschalten und nicht darum, effektiv zu sein!
Gefällt dir der Artikel? Das freut mich sehr.
Wenn du magst, kannst du Abenteuer Spanien mit einer selbstgewählten Spende unterstützen – natürlich absolut freiwillig!
Hallo Nima,
ich beneide deine Entschlossenheit mit der Höhe. Ich glaube das mit der Höhenangst bekomme ich nicht mehr in den Griff, aber am Boden ist es auch schön, besonders wenn es der Spanische Boden ist.
Bei mir sind es nun nur noch 6 Wochen und dann geht es ab nach Spanien, an die Costa Blanca.
Ich freu mich.
Wünsche Euch noch eine schöne Reise.
Vielleicht hast Du ja mal Lust, dass wir bei den Blogs austauschen?
Kannst Dir ja mal Gedanken machen.
Lg, Mic
Hey Mic,
der spanische Boden ist wirklich sehr schön 😉
Die Costa Blanca wollen wir auf jeden Fall auch erkunden, da muss es einige tolle Ecken geben.
Und Bloaustausch klingt sehr gut, da können wir uns gerne mal per Mail unterhalten!
Liebe Grüße und hasta luego 🙂
Nima
Danke für’s Teilen, Nima! Da ist für mich viel Wahres dran. Ich finde es furchtbar, wenn der gekletterte Schwierigkeitsgrad als Kriterium für alles wird! Und vor allem, wenn Kletterer danach beurteilt werden.
Weglassen würde ich das Thema Leistung nicht, weil das ja ein Bestandteil des Kletterns und von Sport allgemein ist, wir entwickeln uns damit weiter. Dennoch können wir uns auch in leichten Routen und im Nachstieg immer wieder neu entdecken und dazu lernen, nicht nur in schwierigen Routen – wenn wir’s eben zulassen.
Hallo Nima,
Super, der Artikel :-). Spricht mir aus tiefster Seele. Als ich vor ca. 6 Jahren zum Klettern anfing (mit richtig übler Höhenangst), haben viele gemeint, dass ich wahrscheinlich bald wieder aufhör, weil ich nicht weiter gekommen bin. Selbst Toprope habe ich mich gefürchtet. Aber es wird besser (wenn´s bei mir auch lange gedauert hat 😉 ) und ich jetzt auch im 4. und 5. Grad vorsteigen kann. Extrem klettern werde ich nie, aber genießen tu ich das Klettern jetzt mit Gleichgesinnten, für die auch nicht die Leistung zählt, sondern der Spaß.
Ich finde es auch interessant, wie jeder seine ganz eigenen Lösungen findet, wie er eine Route hochkommt. Für mich zählen eher die Umgebung, Atmosphäre, Natur und Bewegung eine Rolle, wenn ich in die Berge gehe. Wenn für Freunde eher die Leistung zählt, ist mir das inzwischen egal, es kann und darf ja jeder wie er möchte 🙂
LG
Ronja
Hey Ronja,
ich finde es super, dass du am Ball bleibst und dir das Klettern Spaß macht! Genau darum geht es 🙂
Und wenn du dann noch Leute um dich herum hast, die das auch so sehen wie du, ist das perfekt!
Weiterhin dir eine tolle Zeit am Fels,
Nima
Hallo Nima,
die Angst, die Du beschreibst kenne ich sehr gut. Allerdings klettere ich nicht, sondern ich spüre sie jeden Tag sehr heftig bei den geringsten Anlässen (vor allem wenn ich erschreckt werde) seit dem Raubüberfall auf uns in Afrika. Das nennt sich dann posttraumatische Belastungsstörung. wie man damit umgeht ist eigentlich ähnlich wie Du es beim Klettern beschreibst – sich immer wieder der Angst stellen. Das mache ich jetzt auch und fliege am 1. September wieder nach Malawi und dann reisen wir weiter in unserem Hanomag A-L 28. Da passt dein Spruch gut: ” Mut ist nicht keine Angst zu haben, sonder die eigene Angst zu überwinden.” Ich werde dann auf unserem Blog http://www.runterwegs.de berichten.
Liebe Grüße und ich werde auch von Afrika aus verfolgen wie es Euch im Horst ergeht.
Verena
Hallo Verena,
das, was du erlebt hast, ist echt traumatisch. Keiner von uns kann sich wahrscheinlich vorstellen, wie es dir damit geht.
Umso beeindruckender finde ich, dass du dich nicht von der Angst unterkriegen lässt. Immer kleine Babyschritte, dann wird auch das bestimmt Stück für Stück wieder besser.
Ich wünsche dir/euch alles Liebe und verfolge eure Erlebnisse natürlich ebenfalls 🙂
Nima
Wie sagt man doch so schön, nicht immer ist der Endpunkt das Ziel, sondern der Weg dahin. Mit der eigenen Angst umgehen zu lernen, ist mitunter eines der längsten und wichtigsten Wege im Leben.
Und ob!
Sich seiner Angst/seinen Ängsten zu stellen, ist befreiend. Auch wenn der Weg in der Tat kein leichter ist …