Besondere Begegnungen: Ali aus der Sahara

Besondere Begegnungen: Ali aus der Sahara

Auf unserer Reise durch Spanien lernen wir immer wieder neue Menschen kennen. Menschen, die uns inspirieren, beeindrucken oder auch nachdenklich machen.

Mit manchen Personen verbringen wir eine längere Zeit, mit anderen nur eine sehr kurze.

Aber alle Begegnungen haben eines gemeinam: Es sind Erlebnisse, für die ich dankbar bin!

Besondere Begegnungen: Ali aus der Sahara

Es ist 21.00 Uhr.
Steve und ich sind an einem einsamen See in Andalusien. Um uns herum ist es bereits stockdunkel.
Wir sitzen im Bus und schauen eine DVD, als wir auf einmal jemanden mit einer Taschenlampe auf Horst zukommen sehen.

Komplett alleine am See.
Komplett alleine am See.

Kurz darauf klopft es, Steve öffnet die Türe.
Draußen steht ein Mann und fragt, ob wir Spanisch oder Französisch sprechen.

Er fragt, wie es uns geht und ob wir etwas brauchen – einfach so.
Wir verneinen und fragen ihn, wie er heißt.

Er kramt in seiner Tasche nach seinem Ausweis und zeigt ihn uns: Ali Khalil.
200 Meter entfernt von uns befindet sich eine Art Bauernhof, dort arbeitet er.

Bauernhof wäre allerdings übertrieben:
Es ist eine spärliche Unterkunft für 400 Schafe.

Eher eine Baracke als ein Stall.
Eher eine Baracke als ein Stall.

Wir machen – so gut es geht – ein wenig Smalltallk und kurz darauf verlässt uns Ali wieder.
Wenn wir etwas benötigen sollten, könnten wir ihm Bescheid sagen.

Klopf, klopf, klopf – Ali besucht uns erneut

Am übernächsten Tag parken wir wieder an diesem See und erneut klopf Ali abends an unsere Tür. Wir bitten ihn herein.

Heute hat es geregnet.
Damit er uns nicht den Boden verdreckt, zieht sich Ali Plastiktüten über die Schuhe. Uns wäre es egal, aber er besteht darauf.

In der nächsten Stunde sitzen wir zusammen und unterhalten uns.
Ali spricht recht gut Spanisch. Ich versuche es und übersetze das, was Steve erzählt oder wissen möchte.

Seit vier Jahren lebt Ali in Spanien und zieht von Ort zu Ort.
Dort, wo er Arbeit findet, bleibt er. Wenn diese endet, zieht er weiter.

Ursprünglich stammt er aus der Sahara, wo seine Familie noch immer lebt.
Er ist 39 Jahre alt und hat 14 Geschwister.
Mal arbeitet er als Schafhirte, mal verkauft er Obst, mal macht er andere Hilfsarbeiten. Er nimmt, was er bekommen kann.

Der Verdienst ist besser als in seiner Heimat.
Im Moment arbeitet er zehn Stunden täglich und hat zwei Tage im Monat frei.

In diesem Wohnwagen lebt Ali zurzeit.
In diesem Wohnwagen lebt Ali zurzeit.

Frühstücken im Morgengrauen

Als er sich auf den Weg zu seiner Unterkunft macht – einem alten Wohnwagen – lädt er uns für den nächsten Morgen zu sich auf einen Tee ein.
Wir nehmen die Einladung an, obwohl sie deutlich vor unserer normalen Aufstehzeit liegt: Um 7.30 Uhr.

Pünktlich auf die Minute holt uns Ali am nächsten Morgen am Horst ab.
Bis 9.00 Uhr hat er Zeit, sich auf den Tag vorzubereiten, dann kommt sein Chef.

Vor seinem Wohnwagen brennt ein Feuer, auf dem er sich sonst seinen Tee kocht.
Heute bewirtet er uns drinnen und bereitet uns auf dem Gaskocher einen typisch arabischen Tee zu.

Ali möchte uns unbedingt auch fotografieren.
Ali möchte uns unbedingt auch fotografieren.

Ist der Tee süß genug?

Ali kocht Eier, schneidet Brot und kocht den Tee.
Sein Wohnwagen ist klein, aber mit dem Notwendigsten ausgestattet. Er gehört seinem Chef. Ali selber hat nur wenige Habseligkeiten.

“Ich trinke meinen Tee mittelsüß” sagt er und fängt an, Zucker in die Kanne zu geben.
Ein Teelöffel, zwei, drei, vier, fünf und schließlich sechs.

Mir fallen bei dieser Menge fast die Augen aus dem Kopf: Wenn das mittelsüß ist, was ist denn dann süß?

Ali gießt den Tee von einem Glas ins nächste und wieder zurück in die Kanne.
Das sei wichtig für den Geschmack, erklärt er uns.

Frühstück bei Ali.
Frühstück bei Ali.

Vom Geben und Nehmen

Ali scheint sich über unsere Gesellschaft zu freuen.
Seit zwei Monaten arbeitet er für diesen Bauern und ist die meiste Zeit alleine.

Ich frage mich, wieviel Überwindung es ihn gekostet haben mag, an unseren Bus zu klopfen?
Auf andere Menschen zuzugehen, ist ja nicht immer leicht. Vor allem dann nicht, wenn noch Sprachbarrieren dazukommen.

Um 9.00 Uhr kommt Alis Chef und wir machen uns auf den Rückweg zu Horst.
Aber nicht mit leeren Händen, dafür sorgt Ali. Er packt uns Brot, Eier und frisches Gemüse ein – als Geschenk.

Ein Strategiespiel und ein weiteres Frühstück

Ein paar Abende später kommt Ali wieder zu uns in den Bus.
Wir spielen gerade Abalone, ein Strategiespiel, und laden Ali ein, mitzumachen.

Mit Händen und Füßen erklären wir ihm die Regeln und los geht’s.

Im Laufe des Abends erzählt er uns, dass er am nächsten Tag erfährt, wie es mit seiner Arbeit weitergeht. Entweder darf er noch länger bleiben oder muss sich am Freitag wieder auf den Weg machen.
Dann will er in Richtung Málaga und dort nach Arbeit suchen.

Málaga gefällt ihm, da sei mehr los und die Stadt sei sehr schön.

Auch wir werden bald weiterfahren und deshalb laden wir Ali ein, am nächsten Morgen mit uns zu frühstücken.

Als der Wecker um 7.30 Uhr klingelt, ist es noch dunkel.
Wir machen die Heizung an, decken den Tisch und stellen ein Teelicht auf. Als Ali pünktlich um 8.00 Uhr erscheint, duftet es bereits nach frischem Kaffee.

Wieder bringt er uns eine vollgepackte Tüte mit: Brot, Kartoffeln, Eier.
Obwohl er selber so wenig besitzt, kommt er nie mit leeren Händen.

Für uns fühlt es sich seltsam an, die Sachen anzunehmen, aber Ali besteht darauf.

Frühstück mit frischen Pfannkuchen.
Fotografiert zu werden, ist für Ali ungewohnt.

“Steve es un camarero – Steve ist ein Kellner”

Als Ali vor vier Jahren nach Spanien gekommen ist, konnte er kein Wort Spanisch. Inzwischen hat er es gelernt und bringt uns neue Begriffe bei.
Steve bereitet für uns Pfannkuchen zu und Ali sagt lachend: “Steve es un camarero”. Schon haben wir ein neues Wort gelernt.

Im Laufe unserer drei Begegnungen hat die Verständigung immer ein bisschen besser geklappt.
Wir haben ein wenig über Alis Leben erfahren, er etwas über unseres.

Verschiedene Welten

Wir leben in unterschiedlichsten Welten und doch haben wir eines gemeinsam: Wir sind Menschen!
Wenn wir den Kontakt zulassen, können wir viel voneinander lernen, aber auch über uns selber:

  • Wie fühlt sich Gastfreundschaft an?
  • Wie gastfreundlich bin ich zu anderen Menschen?
  • Bin ich mir meiner Vorurteile bewusst und wie gehe ich mit ihnen um?
  • Was trage ich dazu bei, dass sich andere gut fühlen?

Vielleicht sehen wir Ali heute Abend noch einmal, vielleicht auch nicht.

Es war eine der Begegnungen, die mich nachdenklich macht.

  • Wie oft erfährt Ali wohl Ablehnung wegen seines Äußeren, seiner Herkunft oder  seiner Religion?
  • Wie zufrieden ist er mit seinem Leben?
  • Und wie zufrieden bin ich mit meinem?

Unser Zusammensein war geprägt vom Anderssein und gleichzeitig von Offenheit. Wir alle haben uns aufeinander eingelassen, trotz kultureller und sozialer Unterschiede.

Auch, wenn Ali diesen Beitrag nicht lesen wird, sage ich an dieser Stelle: Danke für diese besondere Begegnung!

Ali und Steve

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12 comments

  1. Ein wunderbarer Artikel. Der zeigt was wirklich wichtig ist im Leben. Danke

  2. Sehr geil. Ali ist mir schon sympathisch, allein auf Grund Deiner Zeilen Nima. 🙂
    Einfach so auf wildfremde Menschen zugehen (ohne dass man dies aus niederen Beweggründen tut), dazu gehört schon was, obwohl es ja eigentlich so normal und einfach dünkt.
    Ich hab dann manchmal das Problem, dass mir dann schnell der Gesprächsstoff ausgeht, weil ich mein “fremdes Gegenüber” ja vor allem nicht langweilen will… nun, sehr tagesformabhängig bei mir… *haha*
    Jedenfalls glaube ich Dir, dass Dir diese Begegnung viele Parallelgedanken beschert hat. Ein für’s eigene Leben wertvolles Erlebnis. *thumbsup*

    • Das mit dem Gesprächsstoff ist wirklich manchmal knifflig. An manchen Tagen bin ich auch sehr redselig, an anderen fallen mir lockere Unterhaltungen schwer. Und dann das Ganze noch in einer fremden Sprache …
      Ali bleibt noch bis Ende Januar bei diesem Bauern, bis dahin werden wir ihn wohl noch ein paar Mal sehen 🙂

  3. Hallo Ihr Zwei,
    vielen Dank für Euren interessanten Bericht.
    Bringt mich zum Nachdenken.

    Viele Grüße
    Ferdi

  4. Liebe Nima,
    vielen Dank für den tollen Bericht.
    So tolle Menschen wir Ali treffen wir hier in Marokko tagtäglich.
    Wir können die anfänglichen ˋBedenkenˋ absolut nachvollziehen, das Zugehen auf Fremde ohne jegliche Erwartungen ist uns sehr fern. Aber sobald man sich darauf einlässt, sich Zeit nimmt und zuhört, öffnen sich neue Welten und Einblicke. Diese Gastfreundschaft, welche einem Marokkaner mit in die Wiege gelegt wird, wünsche ich jedem Menschen auf der Welt. Auch wenn eine Kommunikation manchmal nur sehr eingeschränkt möglich ist, fühlt man sich doch sehr bereichert.
    Alles Liebe aus Marokko, Sven und Doreen

    • Hey Doreen, hallo Sven,
      von Marokko habe ich in der letzten Zeit viel Positives gehört und besonders der Punkt “Gastfreundschaft” wird immer wieder erwähnt.
      Natürlich kann es manchmal auch ratsam sein, eine gewisse Vorsicht an den Tag zu legen. Aber leider kippt diese bei einigen Menschen in absolutes Misstrauen: Jeder Fremde will einem grundsätzlich Böses!
      Es ist daher sehr schön zu lesen, dass ihr auch so tolle Erfahrungen sammelt wie wir mit Ali 🙂
      Liebe Grüße und euch weiterhin eine superschöne Zeit
      Nima

  5. Ein guter Artikel.
    Wir haben im letzten Jahr am Rand der Kavirwüste im Iran ein gruppe Pilger getroffen, die 2.600 km zu Fuß nach Kerbala unterwegs waren. Wir wurden sofort mit Tee und Datteln bewirtet und zum Mittag essen eingeladen. Trotz unterschiedlichster Lebenseinstellungen und Maßstäbe war das einer der bewegendsten Momente unserer Tour durch den Iran.
    Gastfreundschaft, menschliche Nähe, Respekt, Hilfsbereitschaft … Werte, die in unserer “westlichen Wertegemeinschaft” nicht mehr viel zählen. Es tut gut, sie anderswo genießen zu dürfen.

    • “Gastfreundschaft, menschliche Nähe, Respekt, Hilfsbereitschaft … Werte, die in unserer “westlichen Wertegemeinschaft” nicht mehr viel zählen. ”

      Da sagst Du was. Und Menschen, die sie vehement einfordern, geben mitunter nur sehr wenig davon. Wenn ich vor einer Tür stehe, muss ich oft, wenn deutsche Jungs da stehen, schon kniekurzes ein Kleid mit tiefem Ausschnitt anhaben, damit die aufgeht, auch, wenn beide Hände voll sind, weil ich irgend etwas trage. Stehen südlich aussende Jungs da, geht das wesentlich leichter, auch, wenn ich Hosen anhabe… Als ich schwanger war, das ist schon ‘ne ganze Zeit her, musste ich schon ins Ausland fahren, damit mir ein Platz in den Öffis angeboten wurde. Es gibt schon auch Einheimische, die es schaffen, aber halt doch weniger, meiner Erfahrung nach.

      @Nima danke für diesen Bericht, der notwendiger ist denn je. Ich hoffe, er hilft vielen, ihr Misstrauen in den Griff zu bekommen.

  6. Vielen Dank für den netten Bericht. Es baut meine Vorurteile gravierend ab. Da ich bald in eu Rente geschickt werde, sind eure Berichte für mich immerwieder eine Bestärkung auch auf Reisen zu gehen, LG Mick

    • Hallo lieber Mick,
      ja, mach das! Wenn man offen auf fremde Menschen zugeht und sich auf ihre Welt einlässt, kann man viel lernen. Ich bin immer wieder überrascht, auf wie viel Hilfsbereitschaft wir treffen 🙂
      Dir alles Gute
      Liebe Grüße
      Nima

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